22 Nov Adaptives neuronales Netz: Synapsen aus Licht
Moderne Rechenmodelle, die beispielsweise für komplexe und leistungsfähige KI-Anwendungen genutzt werden, bringen herkömmliche digitale Computerprozessoren an ihre Grenzen. Neuartige Rechenarchitekturen, die der Funktionsweise biologischer neuronaler Netze nachempfunden sind, versprechen eine schnellere und energieeffiziente Datenverarbeitung. Forschende haben nun mit photonischen Prozessoren eine sogenannte ereignisbasierte Architektur entwickelt. Ähnlich dem Gehirn ermöglicht sie eine fortlaufende Anpassung der Verschaltung innerhalb des neuronalen Netzes. Die veränderbare Verschaltung ist eine Grundlage für Lernprozesse.
Plastizität wie ein Gehirn
Das Forscherteam von der Universität Münster und den britischen Universitäten Exeter und Oxford nutzte ein Netz aus fast 8400 optischen Neuronen aus wellenleiter-integriertem Phasenwechselmaterial. Das eingesetzte, nichtflüchtige Phasenwechselmaterial kann zwischen einer ungeordneten Struktur und einer kristallinen Struktur mit geordnetem Atomgitter geschaltet werden. Diese Eigenschaft ermöglicht auch ohne Energiezufuhr eine dauerhafte Datenspeicherung. Die Verbindungen zwischen diesen künstlichen Neuronen werden wie beim biologischen Vorbild Synapsen genannt. Die Forschenden konnten eigenen Angaben zufolge zeigen, dass die Verbindung zwischen zwei optischen Neuronen tatsächlich stärker oder schwächer werden kann (synaptische Plastizität), und es können sich Verbindungen neu bilden oder bestehende Verbindungen auflösen (strukturelle Plastizität). Die Synapsen waren dabei im Gegensatz zu anderen, ähnlichen Arbeiten keine Hardwareelemente, sondern durch die Eigenschaften der optischen Pulse codiert – durch die jeweilige Lichtwellenlänge und die Intensität des Pulses. Dadurch war es möglich, einige Tausend Neuronen auf einem einzigen Chip unterzubringen und optisch zu verbinden.
Die Forscher testeten die Leistung des neuronalen Netzes, indem sie es mit einem evolutionären Algorithmus darauf trainierten, zwischen deutschen und englischen Textbeispielen zu unterscheiden. Als Erkennungsparameter nutzten sie die Anzahl von Vokalen im Text.
Ziel: Schnelle und effiziente KI
Im Vergleich zu den herkömmlichen elektronischen Prozessoren bieten lichtbasierte Prozessoren eine deutlich höhere Bandbreite und ermöglichen dabei die Durchführung komplexer Rechenaufgaben – bei geringerem Energieverbrauch. „Unser Ziel ist es, eine optische Rechenarchitektur zu entwickeln, die es langfristig ermöglicht, KI-Anwendungen schnell und energieeffizient zu berechnen“, fasst Frank Brückerhoff-Plückelmann, Mitarbeiter des Forschungsteams, zusammen.
Für die Studie hat ein Team des Sonderforschungsbereichs 1459 ‚Intelligent Matter‘ um die Physiker Professor Wolfram Pernice, Professor Martin Salinga und den Informatiker Professor Benjamin Risse der Universität Münster mit Forschern der britischen Universitäten Exeter und Oxford zusammengearbeitet. Die Forscher erhielten finanzielle Unterstützung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die Europäische Kommission sowie durch ‚UK Research and Innovation‘.
Originalpublikation:
[Brückerhoff-Plückelmann F. et al., Event-driven Adaptive Optical Neural Network. Science Advances Vol 9, Issue 42, 2023, DOI: https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.adi9127]
Physikalisches Institut (AG Responsive Nanosystems)
Quelle: www.uni-muenster.de
Bild: Jonas Schütte / AG Pernice