18 Aug Optische Gyroskope: Störungsunempfindlich dank Hohlkernfasern
Das autonome Fahren oder sogar autarke Fliegen könnte Wirklichkeit werden, wenn die elektronischen Systeme in der Lage sind, die Position des Fahr- oder Flugzeugs im Raum hochpräzise zu bestimmen. Hierfür kommen in der Luft- und Raumfahrt bereits optische Gyroskope zum Einsatz, die mittels Lichtmessungen den Kurs von Flugkörpern kontrollieren und diese stabilisieren.
Bei einem Fasergyroskop wird eine Faser ringförmig auf eine Spule gewickelt und bildet einen Ringresonator, in dem sich das Licht im Uhrzeigesinn und in Gegenrichtung ausbreitet. Bei einer Drehung des Objekts verlängert sich der Weg einer Lichtwelle geringfügig, während er sich für die andere verkürzt. Diesen Unterschied misst ein Detektor und schließt wie ein hochgenauer Kreisel auf die Rotation.
Hier stoßen optische Fasern jedoch auch an ihre Grenzen, denn magnetische und elektrische Felder beeinträchtigen die Interpretationen des Sensors. Zudem können Wechselwirkungen zwischen Licht und Material dazu führen, dass sich die optischen Eigenschaften des durchdrungenen Materials verändern. Diese nicht linearen Effekte wirken sich wiederum direkt auf die Ausbreitung des Lichts selbst aus. Während solche kleinsten Abweichungen etwa in der Telekommunikation keine relevante Größe darstellen, können sie bei der Navigation autonomer Objekte bis zu einer messbaren Abweichung vom Kurs führen.
Hohlkernfasern: Ideal aber teuer
Um diese Störeffekte zu verhindern, untersuchen Forschende vom Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM den Einsatz von Hohlkernfasern in Gyroskopen. Das Licht kann den hohlen Kern ungehindert und somit störungsfrei durchdringen. Risikofaktoren wie die genannten Materialveränderungen werden deutlich reduziert. Bislang sind sie in der Herstellung aber noch viel zu teuer.
Für den Einsatz in hochgenauen Gyroskopen und um die Herstellungskosten zu reduzieren, muss das Forschungsteam die Aufbau- und Verbindungstechnik mit den neuen Fasern umsetzen. Eine besondere Herausforderung ist dabei die Aufteilung des Lichtsignals auf mehrere Kanäle. Die hierfür übliche Kopplung einzelner Lichtwellenleiter durch Verschmelzen kommt für Hohlkernfasern nicht infrage, da sich ihre Röhrenstruktur beim Schmelzvorgang verformen würde.
Deshalb bauen die Forschenden miniaturisierte Kollimatoren auf: Die hochpräzisen Linsen fangen das Licht an einem Faserausgang auf und lassen es parallel wieder austreten, noch bevor es sich zerstreut. Das Licht kann dann mittels halbreflektierender Spiegel aufgeteilt und in den Ringresonator geführt werden. Am Ausgangspunkt wird seine Leistung gemessen und durch einen zweiten Kollimator zurück in die Faser geführt.
Montage-Plattform für den Mittelstand
Die Herstellung einer Kopplung mit zwei Kollimatoren benötigt jedoch äußerst hohe Genauigkeit, die nicht in allen industriellen Produktionsstätten realisierbar ist, weshalb vor allem kleine und mittelständische Unternehmen diesen Prozess bislang nicht anbieten können. Um die Technologie dennoch in individuelle Anwendungen integrieren zu können, entwickeln die Forschenden eine passive Kopplungsplattform. Durch ihre Geometrie ermöglicht sie es, die gefertigten Kollimatoren wie in eine Passform einzusetzen, sodass eine präzise Justage beim Kunden nicht mehr notwendig ist.
Das noch bis zum Jahresende laufende Projekt verzeichnet bereits Erfolge: So ist es zwar unabdingbar, dass Kollimatoren den Lichtstrahl krümmen, doch die optischen Bauteile vom Fraunhofer IZM weisen einen maximalen Brechungswinkel von 0,04° auf und sind damit laut den Wissenschaftlern um ein Zehnfaches präziser als handelsübliche Lösungen. Somit ist es gelungen, die Kollimatorenpaare ohne Justage auf der passiven Kopplungsplattform einzusetzen und dabei eine Koppeleffizienz von über 85 % zu demonstrieren. Im letzten Projektjahr soll die Plattform auf ihre Zuverlässigkeit getestet, mit weiteren optischen wie mechanischen Bauteilen ausgestattet und in ein Gyroskop eingesetzt werden.
Weitere Anwendungen: Integrierte Optik und Materialbearbeitung
Neben Gyroskopen ist die Plattform für integrierte optische Systeme interessant, die zum Beispiel beim Einsatz eines optischen Elements eine Freistrahlauskopplung benötigen. Divergierendes, aus dem Wellenleiter austretendes Licht kann somit parallelisiert und wieder verlustarm in Wellenleiter eingespeist werden. Die optische Lösung spielt zudem bei der präzisen Materialbearbeitung durch Lichtübertragung mit Ultrahochleistung sowie der Übertragung von Infrarot- und kurzwelligem UV-Licht eine Rolle. Ebenfalls bietet die Telekommunikation vielversprechende Anwendungen.
Die Forschungsergebnisse entstanden in dem vom Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) geförderten Projekts Royce (Resonant hollow-core-fiber Gyroscope), an dem die polnische Nicolaus Copernicus Universität in Torun, Piktime Systems sowie Eagleyard Photonics beteiligt sind.
Quelle und Bild: www.izm.fraunhofer.de