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17 Feb. Mit KI schneller zu besseren Fotovoltaikmaterialien
Wer unter einer Million Molekülen jene herausfinden will, die als Leiter positiver
Ladung Perowskit-Solarzellen besonders effizient machen, muss üblicherweise diese Million Moleküle herstellen und testen. Forschende um Professor Pascal Friederich vom Institut für Nanotechnologie des Karlsruher Instituts für Technologie KIT und Professor Christoph Brabec vom Helmholtz-Institut Erlangen-Nürnberg für Erneuerbare Energien (HI ERN) berichten über einen neuen Weg.
Ausgangspunkt war eine Datenbank am HI ERN mit den Strukturformeln von
rund einer Million virtuellen Molekülen die nach Aussage der Forschenden aus
handelsüblichen Substanzen herstellbar wären. Von 13 000 dieser virtuellen Mo-
leküle – nach dem Zufallsprinzip ausgelesen – berechneten die Forschenden
am KIT mit etablierten quantenmechanischen Methoden Energieniveaus, Polarität, Geometrie und weitere Merkmale.
KI-Training mit Daten von 101 Molekülen
Aus diesen 13 000 Molekülen wählten die Forschenden wiederum 101 Moleküle aus, die sich in ihren Merkmalen möglichst stark unterschieden. Diese wurden am HI ERN mithilfe eines Robotersystems automatisch hergestellt und aus ihnen baugleiche Solarzellen gefertigt. Anschließend maßen die Forschenden deren Wirkungsgrad. „Für den Erfolg unserer Strategie war entscheidend, dass
wir dank unserer hochautomatisierten Syntheseplattform wirklich vergleichbare Proben erzeugten und somit verlässliche Werte für den Wirkungsgrad
ermittelten“, erklärt Brabec das Vorgehen der Forschenden.
Die KI soll überraschen
Mit den erzielten Wirkungsgraden und den Merkmalen der zugehörigen Moleküle trainierten die Forschenden des KIT ein KI-Modell. Das Modell schlug dann weitere 48 Moleküle zur Synthese vor, basierend auf zwei Kriterien: ein erwartender hoher
Wirkungsgrad und unvorhersehbare Eigenschaften. „Wenn sich das Machine-Learning-Modell bei der Prognose des Wirkungsgrads unsicher ist, lohnt es sich, das Molekül herzustellen, um es näher zu untersuchen“, erklärt Friederich das zweite Kriterium. „Es könnte mit einem hohen Wirkungsgrad überraschen.“
KI versus Chemiker
Die Forschenden können nach eigener Aussage die Molekülvorschläge der KI in gewissem Ausmaß nachvollziehen, da die verwendete KI angibt, welche Merkmale der virtuellen Moleküle für ihre Vorschläge ausschlaggebend waren. Es zeigte sich, dass sich die KI-Vorschläge teilweise auch auf Merkmale stützten, beispielsweise das Vorhandensein bestimmter chemischer Gruppen wie Amine, die Chemiker bisher weniger beachtet hatten. Überzeugt sind die Forschenden, dass ihre Strategie vielversprechend für die Materialforschung auch in anderen Anwendungsbereichen ist oder auf die Optimierung ganzer Bauelemente ausgeweitet werden kann.
Auf weitere Anwendungen übertragbar
„Mit nur 150 gezielten Experimenten konnte ein Durchbruch erzielt werden, der sonst hunderttausende von Tests erfordert hätte“, bewertet Brabec die Ergebnisse. Brabec ist sich sicher: „Der entwickelte Workflow eröffnet neue Möglichkeiten für die schnelle und kosteneffiziente Entdeckung leistungsstarker Materialien in einer Vielzahl von Anwendungsfeldern.“
Originalpublikation
[Jianchang Wu, et al., Inverse Design of Molecular Hole-Transporting Semiconductors Tailored for Perovskite Solar Cells. Science, 2024. DOI: 10.1126/science.ads0901]
Quelle: www.kit.edu
Bild: Kurt Fuchs / HI ERN