14 Jan. Tumor erkennen und entfernen mit Laserlicht
Einen Tumor vollständig zu entfernen, ohne gesundes Gewebe zu verletzen, ist eine der größten Herausforderungen in der Krebschirurgie. Bisherige Methoden, wie eine Gewebeentnahme während der Operation, liefern erst nachträglich Klarheit über den Behandlungserfolg. Am Leibniz-Institut für Photonische Technologien (Leibniz-IPHT) in Jena hat ein Team in Zusammenarbeit mit der Friedrich-Schiller-Universität (FSU), dem Universitätsklinikum Jena (UKJ) und der Jenaer Firma Grintech ein Endoskop entwickelt, das nach Angaben der Forschenden mit Licht und künstlicher Intelligenz arbeitet, um damit Tumorgrenzen präzise zu erkennt, ohne dass der Einsatz von Farbstoffen notwendig ist.
Diagnose und Therapie kombiniert
Das Besondere an der neuen Technologie ist dem Team zufolge, dass Diagnose und Therapie in einem Gerät vereint werden. Ein integrierter Femtosekundenlaser trägt krankes Gewebe präzise ab, ohne umliegendes, gesundes Gewebe zu schädigen. „Das Prinzip ‚erkennen und behandeln‘ ist ein großer Fortschritt, weil es Operationen sicherer macht und die Heilungschancen verbessert“, betont Prof. Dr. Orlando Guntinas-Lichius, Direktor der Klinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde am Universitätsklinikum Jena. „Für uns als Chirurgen bedeutet das, Tumore effektiver entfernen und gleichzeitig gesundes Gewebe besser schonen zu können. Damit könnte die Zahl von Folgeoperationen und die Belastung für die Patientinnen und Patienten erheblich reduziert werden.“
In präklinischen Tests mit Gewebeproben von 15 Patientinnen und Patienten wurde dieses Prinzip bereits erfolgreich erprobt, berichten die Forschenden. Die Technologie habe eine Erkennungsgenauigkeit von 96 % erzielt und Tumorgewebe mit einer bisher unerreichten Präzision entfernen können, so das Ergebnis der Tests.
Optische Präzisionstechnik aus Jena
Ein wesentlicher Beitrag zur Entwicklung der Technologie stammt von der Jenaer Firma Grintech, die die hochpräzisen miniaturisierten optischen Komponenten für das Endomikroskop entwickelte und diese zu einem gesamten Applikatorsystem montierte. Dieses ermöglicht die detaillierte Darstellung von Gewebestrukturen und deren chemischer Zusammensetzung mit gleicher Qualität wie große Labormikroskope, erklären die Forschenden. „Der enge Austausch zwischen Industrie, Klinik und Forschung hier in Jena hat diese Innovation erst möglich gemacht“, sagt Dr. Bernhard Messerschmidt, Geschäftsführer von Grintech.
Erste Tests für den klinischen Einsatz
Die Entwicklung der Technologie ist Teil des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekts ‚TheraOptik‘. Aktuell soll sich die Technologie in der präklinischen Testphase befinden. Der nächste Schritt wird laut den Entwicklern eine klinische Studie mit einer größeren Patientengruppe sein. „Unser Ziel ist es, dass dieses lichtbasierte Verfahren in einigen Jahren standardmäßig in der Krebschirurgie eingesetzt werden kann“, erklärt Prof. Dr. Jürgen Popp, wissenschaftlicher Direktor des Leibniz-IPHT und Direktor des Instituts für Physikalische Chemie der Universität Jena, der mit seinem Team nach eigenen Angaben seit über einem Jahrzehnt an der Technologie forscht. Langfristig könnte die Technologie nach Meinung der Forschenden auch in anderen Bereichen wie der Dermatologie oder Neurochirurgie zum Einsatz kommen.
Originalpublikation:
Matteo Calvarese et al., Endomicroscopic AI-Guided Morphochemical Imaging and fs Laser Ablation for Selective Tumor Identification and Selective Tissue Removal. Sci. Adv. 10, eado9721 (2024). DOI: 10.1126/sciadv.ado9721
Quelle: www.leibniz-ipht.de
Bild: Sven Döring/ Leibniz-IPHT