08 Nov Kräfte in Kunststoffen optisch messen
Farbstoffmoleküle, die eine innerhalb eines Kunststoffs wirkende Kraft durch einen Farbumschlag anzeigen, entwickelten Forschende der Polymerchemie an der Technischen Universität Chemnitz. Diese sogenannten Mechanophore sind nicht neu, konnten jedoch meist nur das Vorhandensein oder Fehlen von Spannungen in Kunststoffen anzeigen. Nun werden Bauteilspannungen je nach Stärke durch Farbänderungen sichtbar. Nimmt die Kraft auf den Kunststoff ab, kehren die Farbstoffmoleküle wieder in ihren Ausgangszustand zurück. Daher werden diese Farbstoffe auch als molekulare Federn bezeichnet – sie dehnen sich und springen danach wieder in ihren ursprünglichen Zustand.
Kalibrierung molekularer Torsionsfedern
In der aktuellen Forschungsarbeit wird dieses Konzept durch eine experimentelle Kalibrierung von Kräften weiterentwickelt. Somit kann die Größe von Kräften in verschiedenen Kunststoffen optisch bestimmt werden. „Der Schritt von der bloßen Sichtbarmachung und theoretisch berechneten Kräften in Kunststoffen hin zu experimentell direkt bestimmten Kräften, ist ein großer“, erklärt Prof. Michael Sommer, Inhaber der Professur Polymerchemie. Möglich wurde dies laut dem Forscher durch die Verwendung unterschiedlich funktionierender Mechanophore, deren Verhalten bei bestimmten mechanischen Spannungen untereinander abgeglichen werden kann. So konnten molekular wirkende Kräfte ermittelt werden. Bislang wurden den Forschenden zufolge vor allem Zugkräfte untersucht. Inwieweit beispielsweise auch äußere Druckkräfte zuverlässig und quantitativ bestimmt werden können, müsse noch untersucht werden.
Mögliche Anwendung im 3-D-Druck
Die Ergebnisse sollen zudem eine Basis für ein noch besseres grundlegendes Verständnis von Kräften in polymeren Materialien bilden. Weitere Experimente werden im Rahmen eines kürzlich geförderten DFG-Projekts gemeinsam mit den Arbeitsgruppen von Professor Günter Reiter (Polymerphysik) und Priv.-Doz. Michael Walter (Theorie) der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg durchgeführt. Sie sollen mikroskopische Kräfteverteilungen in verschiedenen Kunststoffen untersuchen und auch 3-D-gedruckte Bauteile verwenden. „Die Visualisierung von zeit- und ortsaufgelösten Kräfteverteilungen kann bisher nur theoretisch modelliert werden“, erklärt Sommer. „Der Einsatz von Torsionsfedern bietet hier einzigartige Möglichkeiten für mikroskopische Einblicke, die Alterungs- und Schadensanalyse revolutionieren könnten.“
Originalpublikation:
[Raphael Hertel, Maximilian Raisch, Michael Walter, Günter Reiter, Michael Sommer: Mechanistically Different Mechanochromophores Enable Calibration and Validation of Molecular Forces in Glassy Polymers and Elastomeric Networks, Angewandte Chemie International Edition, e202409369, DOI: https://doi.org/10.1002/anie.202409369]
Quelle: www.tu-chemnitz.de
Bild: Jacob Müller