04 Jul Eine optische Linse, die Gas spürt
Ein Forschungsteam der Universität Jena hat eine wenige Millimeter große optische Linse entwickelt, deren Lichtbrechungsverhalten sich ändert, wenn Gas anwesend ist. Die Molekülstruktur der Linse besteht aus einem dreidimensionalen Gitter, in dessen Hohlräume Gasmoleküle aufgenommen werden können – was sich wiederum auf die optischen Eigenschaften des Materials auswirkt.
Gasabhängige Lichtbrechung
„Mit Unterstützung der Carl-Zeiss-Stiftung entwickeln wir sogenannte multiresponsive Materialien“, erklärt Lothar Wondraczek, Professor für Glaschemie an der Universität Jena. „Am Beispiel der Hybridglas-Linse bedeutet das, dass sie das Licht stärker oder schwächer bricht, je nachdem ob in dem Linsenmaterial Gas absorbiert ist oder nicht.“ Die Herausforderung dabei war es, Methoden der klassischen Glasformgebung auf diese speziellen Materialien zu übertragen. „Die metallorganischen Gerüstverbindungen, die wir hier verwendet haben, werden als Materialien zum Speichern oder Trennen von Gasen erforscht und entwickelt“, führt Wondraczek aus. Oksana Smirvona, Doktorandin im Forschungsprojekt, ergänzt: „Allerdings zersetzen sich die meisten dieser Substanzen, wenn sie erhitzt werden und können daher nur sehr schwer geformt werden.“
Gemeinsam mit Dr. Alexander Knebel, Nachwuchsgruppenleiter am Lehrstuhl für Glaschemie, mussten die Jenaer Forschenden zunächst einen geeigneten Syntheseprozess für hochreine Materialien entwickeln. Dann galt es, die optimalen Bedingungen zu identifizieren, unter denen das Material in die gewünschte Form gebracht werden kann. „Wir schmelzen das Material und überführen es dann in eine 3-D-gedruckte Negativform, in der es gepresst wird“, erläutert Smirvona. „Innerhalb dieses Verfahrens lässt sich die gewünschte Form nahezu beliebig wählen. Wir haben bewusst die Linse als Form gewählt,“ erklärt sie weiter. Denn: „Bei einer Linse machen sich schon kleinste Verunreinigungen bemerkbar, da sie die optischen Eigenschaften direkt beeinflussen.“
Material für intelligente Sensorik
Mit diesem neuen Verfahren seien nun grundsätzlich sehr vielfältige Formen und Geometrien denkbar, die über die konkrete Anwendung als Mikrolinsen hinausgehen, erklärt Wondraczek. „Weil diese multiresponsiven Materialien auf mehrere Einflüsse gleichzeitig reagieren, können sie zum Beispiel für logische Schaltungen benutzt werden“, beschreibt der Materialwissenschaftler mögliche Anwendungen solcher Bauteile. „Konkret bedeutet das, dass für die beobachtbare Reaktion zwei Bedingungen miteinander verknüpft werden“, erläutert er. „Wenn etwa ein Lichtstrahl auf die Linse fällt und gleichzeitig ein Gas im Linsenmaterial absorbiert ist, dann wird das Licht auf eine bestimmte Art gebrochen und kann so kombinierte Rückmeldung geben.“ Möglich wären demnach auch Membranen zur Gastrennung, deren optische Eigenschaften sich ändern, wenn sich Gasmoleküle in ihnen befinden. Solche optischen Bausteine ließen sich beispielweise in der Sensorik einsetzen und könnten Messverfahren effizienter, platzsparender und intelligent gestalten.
Originalpublikation:
[Oksana Smirnova, Roman Sajzew, Sarah Jasmin Finkelmeyer, Teymur Asadov, Sayan Chattopadhyay, Torsten Wieduwilt, Aaron Reupert, Martin Presselt, Alexander Knebel & Lothar Wondraczek: „Micro-optical elements from optical-quality ZIF-62 hybrid glasses by hot imprinting”, Nature Communications, 2024 (15) 5079. DOI: https://doi.org/10.1038/s41467-024-49428-1]
Quelle und Bild: www.uni-jena.de