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Aufnahmen mit dem Infrarotdetektor. Bild: Forschungszentrum Jülich / Politecnico di Milano

Infrarotdetektor für Smartphones und autonome Fahrzeuge

Kameras, die im kurzwelligen Infrarot (SWIR) arbeiten, liefern Bilder in Graustufen – üblicherweise gestochen scharf. Denn durch Regen, Nebel oder Dunst können solche Fotochips einfach hindurchsehen. Sichtbares Licht wird durch kleine Wassertröpfchen in der Luft gestreut – was sich als Schleier auf dem Bild bemerkbar macht, der die Sichtweite und Detailerfassung begrenzt. Dieser Effekt spielt aber für Licht im SWIR-Bereich keine Rolle. Daher bieten sich solche Kameras für Anwendungen an, wo eine freie Sicht unabdingbar ist, zum Beispiel für autonom fahrende Pkw oder die Luftfahrtsicherheit.

Wissenschaftler am  Forschungszentrum Jülich haben nun gemeinsam mit italienischen und deutschen Kollegen einen besonders preiswerten Infrarotdetektor entwickelt, der sich gut in bestehende Kamerachips und Smartphones integrieren lässt. Der neue Sensor macht gleich zwei technisch wichtige Bereiche der Infrarotstrahlung sichtbar, die bisher von konventionellen Fotodioden nicht abgedeckt wurden.

Herstellung mit Standardtechnologie

Herkömmliche Kamerachips aus Silizium können den SWIR-Bereich nur sehr eingeschränkt abbilden. „Es gibt bereits andere Kameras, die für diese Zwecke genutzt werden“, erläutert Dan Buca vom Forschungszentrum Jülich. „Die sehr hohen Kosten verhindern jedoch oftmals den Einsatz im Alltag.“ Die Verwendung von Materialien, die sich nur schwer mit Standardschaltkreisen aus Silizium verbinden lassen, macht die Integration in einen Chip komplex und damit teuer: „Unser Detektor füllt daher eine Lücke: Er deckt einen Bereich des Spektrums ab, für den bisher keine preiswerten Sensoren existierten. Die Wahl von Legierungen und Elementen, die gut mit Silizium verträglich sind, ermöglicht es uns nun, vergleichsweise einfache Herstellungsprozesse mit Standardwerkzeugen anzuwenden. So können wir sehr günstige Kamerachips konstruieren, die sich in jedem Smartphone genauso wie in heutigen Kameras verbauen lassen“.

Germanium-Zinn-Halbleiter

Die Basis für den neuen Detektor bildet eine dünne Schicht aus Silizium, dem Standardmaterial für Computerchips. Darauf werden weitere Lagen von Halbleitermaterialien abgeschieden, die die Elemente Germanium und Zinn enthalten, im Periodensystem alle in derselben Hauptgruppe stehen wie Silizium. „Die Germanium-Zinn-Halbleiter wurden in Jülich entwickelt“, erläutert Professor Giovanni Isella vom Polytechnikum Mailand, der die Entwicklung des neuen Bauteils gemeinsam mit Dan Buca geleitet hat. „Es hat beinahe zehn Jahre gedauert, bis alle Parameter optimiert waren. Aber jetzt lassen sich diese Halbleiterschichten in jeder Chipfabrik mit etablierter Technik aufbauen.“ Dadurch ist es laut den Wissenschaftlern möglich, sie besonders preiswert herzustellen. Und weil sie auf Silizium basieren, lassen sie sich auch ohne größere Probleme auf bestehenden Chips integrieren.

Aus den verschiedenen Halbleiterschichten können Pixel auf Fotochips für Digitalkameras gefertigt werden – die dann in der Lage sind, die gleichen Bilder in verschiedenen Bereichen des Infrarotspektrums aufzunehmen. „Bei Gemälden zum Beispiel können wir damit durch Farbschichten hindurchblicken und erkennen, was der Künstler darunter gemalt hat“, sagt Isella. Und bestimmte Druckfarben, die als Sicherheitsmerkmal für Geldscheine genutzt werden, scheinen zu verschwinden, wenn sie unter IR-Licht betrachtet werden. Mit dem Jülicher Detektor ließe sich die Echtheit der Banknoten daher leicht überprüfen.

Zwei Wellenlängen umschaltbar

Eine Besonderheit des Detektors ist, dass er ist für zwei verschiedene Bereiche des infraroten Spektrums empfänglich ist. Dazu muss die Vorspannung, die an ihm anliegt, einfach nur umgepolt werden – und schon schaltet das Bauteil vom nahen Infrarot (NIR) auf kurzwelliges Infrarot (SWIR) um. Auf diese Weise ist es beispielsweise möglich, verschiedene Flüssigkeiten und Gase zu unterscheiden, die NIR- und SWIR-Strahlung unterschiedlich stark absorbieren. Das konnte das Forscherteam am Beispiel der Lösungsmittel Isopropanol und Toluol demonstrieren. Mithilfe des schaltbaren Detektors lassen sich die für das menschliche Auge farblosen Flüssigkeiten eindeutig auseinanderhalten. Das ist nicht nur für Anwendungen im Chemielabor nützlich, sondern auch für vielfältige andere Alltagsanwendungen interessant.

Die beteiligten Forschungsteams setzen ihre Zusammenarbeit fort, mit dem Ziel, ein kommerzielles Produkt zu entwickeln.

Originalpublikation:

[Enrico Talamas Simola, et al., CMOS-Compatible Bias-Tunable Dual-Band Detector Based on GeSn/Ge/Si Coupled Photodiodes, ACS Photonics, 2021,8, 2166-2173, DOI: https://doi.org/10.1021/acsphotonics.1c00617]

Quelle: www.fz-juelich.de

Bild: Forschungszentrum Jülich / Politecnico di Milano



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