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Arbeiten am Vulkan Ätna

Vulkan­über­wachung mit Glas­faserkabeln

Am Vulkan Ätna wurde ein Glasfaserkabel als Sensorfeld genutzt, um vulkanische Ereignisse zu erfassen. Mit der hohen Empfindlichkeit und Genauigkeit der Glasfasersensorik lässt sich die Vulkanüberwachung verfeinern und Gefahren besser abschätzen.

Nach wie vor ist es schwierig, mit den herkömmlichen Beobachtungsmethoden wie Seismometern sehr subtile Auslösemechanismen vulkanischer Phänomene zu erkennen. Zum einen reicht die Genauigkeit der Messverfahren nicht aus, um alle Prozesse innerhalb des Vulkans zu detektieren und zu identifizieren, zum anderen verzerren unbekannte unterirdische Strukturen die beobachtete Messsignale. Das Wissen auch um schwache Aktivitäten kann aber entscheidend sein, wenn es um die Vorhersage und Einschätzung der Gefährdung durch Vulkanausbrüche geht, zum Beispiel am sizilianischen Vulkan Ätna, der größte, aktivste und meistbesuchte Vulkan Europas, an dessen Flanken und in dessen unmittelbarer Nähe mehr als eine Million Menschen leben.

Arbeiten am Vulkan Ätna

Verlegung des Glasfaserkabels in der Schlackenschicht am Gipfel des Vulkans Ätna. Bild: P. Jousset, 2018

Philippe Jousset vom Deutschen GeoForschungsZentrum Potsdam GFZ und Gilda Currenti vom italienischen Istituto Nazionale di Geofisica e Vulcanologia INGV haben zusammen mit Kollegen untersucht, inwiefern sich Glasfaserkabel zur Messung sehr schwacher seismischer und vulkanischer Aktivität eignen. Hierfür verlegten sie in einem gemeinsamen Experiment am Vulkan Ätna in rund 2 Kilometer Entfernung von den Gipfelkratern ein 1,3 Kilometer langes Glasfaserkabel, gut 20 Zentimeter tief in einer Schlackenschicht, und maßen die Dehnungsänderungen des Kabels, die von den verschiedenen Aktivitäten verursacht wurden.

Das Messprinzip mit Glasfasern

Zur Messung wurde Distributed Acoustic Sensing (DAS), auf Deutsch ortsverteilte akustische Sensorik oder auch faseroptische akustische Messungen, eingesetzt. Über ein Abfragegerät werden mit einem Laser aufeinanderfolgende Lichtpulse in eine Glasfaser gesendet. Das in der Faser teilweise zurückgestreute Licht wird dann analysiert. Die Laufzeit des Lichts ändert sich, wenn sich die Faser deformiert oder dehnt – zum Beispiel aufgrund winziger Bodenbewegungen, akustischer Wellen oder Temperaturänderungen. So lassen sich solche Ereignisse jeden Meter entlang einer Faser detektieren und sehr genau vermessen.

Arbeiten am Vulkan Ätna

Verbinden der Glasfaserkabel auf dem Gipfel des Vulkans Ätna mit einem Spleißer (Piano delle Concazze; 2800 m Höhe). Bild: M.A. Gutscher, 2018

Es war bereits bekannt, dass Telefonleitungen aus Glasfaser zur Aufzeichnung von Erdbeben verwendet werden können: Seit dies 2018 von GFZ-Forschenden in Island demonstriert wurde, ist die Technik an verschiedenen Orten weltweit, unter anderem in den USA, der Schweiz und in Japan, zur Überwachung seismischer Aktivität eingesetzt worden, aber auch im Rahmen anderer geowissenschaftlicher Anwendungen, bei denen Bodenbewegungen oder Vibrationen gemessen werden sollen.

Nun haben die Forschenden demonstriert, dass sich die Methode auch für die genaue Analyse und Überwachung von Vulkanen eignet. Die DAS-Dehnungsratenmessungen wurden mit Messungen herkömmlicher Sensoren – Geophone, Breitbandseismometer, Infraschallsensoren – validiert. Die räumlich sehr dichten Messungen, die so mit anderen Methoden nicht durchführbar sind, ermöglichen es, sowohl vulkanische Explosionen zu erkennen und zu charakterisieren, als auch Resonanzphänomene im Untergrund. Letztere werden ausgelöst, wenn sich infolge der Explosionen akustische Wellen ausbreiten und mit den oberflächennahen Schlackenablagerungen in nichtlineare Wechselwirkung treten.

Um aus den gemessenen Daten verborgene strukturelle Merkmale im Untergrund zu quantifizieren und vulkanische Ereignisse mit Genauigkeit zu erkennen und zu lokalisieren, wurden Standardanalysen der Vulkanseismologie, Modellierungswerkzeuge für die Wellen- und Dehnungsausbreitung und Techniken wie die Trennung und Rekonstruktion von Wellenfeldern eingesetzt. Benjamin Schwarz, GFZ-Wissenschaftler und ebenfalls in die Studie involviert, sagt hierzu: „Die bisher nicht dagewesene räumliche Auflösung der Aufnahmen, die durch faseroptische Dehnungsmessungen ermöglicht wird, erlaubt es in dieser Form zum ersten Mal, schwache und bisher kaum praktisch nutzbare Signale gezielt zu trennen und auszuwerten.“

Ausheben des Grabens für das Glasfaserkabel in Piano delle Concazze (Vulkan Ätna, 2800 m Höhe), mit dem Observatorium Pizzi Deneri im Hintergrund. Bild: P. Jousset, 2018

Messung aus großer Entfernung

Dank ihrer Fähigkeit, große Entfernungen zu messen – derzeit mindestens mehrere zehn Kilometer –, kann ein Abfragegerät an einem abgelegenen Ort aufgestellt werden, was die Beobachtung mit Glasfasern einfacher und sicherer macht als herkömmliche Sensorarrays, die Telemetrie, Stromversorgung vor Ort und regelmäßige Wartung erfordern. „Darüber hinaus wird die Verfügbarkeit von Unterwasser-Glasfaserkabeln in der Nähe von Vulkaninseln auch eine große Hilfe bei der Untersuchung von ansonsten weitgehend unzugänglichen submarinen magmatischen Prozessen sein.

Originalveröffentlichung:

Philippe Jousset, Gilda Currenti, Benjamin Schwarz, Athena Chalari, Frederik Tilmann
Thomas Reinsch, Luciano Zuccarello, Eugenio Privitera & Charlotte M. Krawczyk, 2022. Fibre optic distributed acoustic sensing of volcanic events. Nature Communications. DOI: 10.1038/s41467-022-29184-w
https://doi.org/10.1038/s41467-022-29184-w

Quelle: www.gfz-potsdam.de

Bild: P. Jousset, 2018



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